Marktpolitische Verordnungen in Bayern
Bevor wir uns mit den geopolitischen Ereignissen dieses Zeitraums befassen, müssen zwei marktpolitische Verordnungen behandelt werden. Sie beeinflussen maßgeblich unseren Themenbereich der Bier- und Hopfenhistorie. Es waren dies die vergebenden ersten Hopfensiegel der Welt für das Anbaugebiet Spalt 1538 und das Bayrische Reinheitsgebot 1516.
Das Bayrische Reinheitsgebot
"Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten und Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.”1
Diese Verordnung wurde 1516 vom Bayrischen Herzog Wilhelm dem IV. erlassen. Doch warum kümmerte sich dieser um die Inhaltsstoffe des Bieres? Das Wohl und die Sorge um die Gesundheit der Bürger soll - offiziell - die Begründung gewesen sein. Doch gab es schon früher regionale Vorschriften und Erlässe zur 'Qualitätssicherung' und zu den vorgegebenen Rohstoffen - vor allem in den Städten mit ihrem aufstrebenden Braugewerbe.
So sollte eine im Jahr 1303 in Nürnberg erlassene Verordnung sicherstellen, dass nur Gerstenmalz zum Brauen verwendet werden durfte. Und schon im Jahr 1156 erließ Kaiser Friedrich I. (gen. Barbarossa) für die Stadt Augsburg das Stadtrecht. In dessen Rechtsverordnung sich der Paragraph "Justitia Civitatis Augustensis" befand; hier wurde erstmals die Bierqualität des Augsburger Bieres festgelegt. Das Augsburger Reinheitsgebot könnte somit das erste Gebot der deutschen Biergeschichte sein2.
Der Rohstoff "Gerste"
Gerste war schon bei den frühen Völkern und auch im Mittelalter ein bevorzugtes Getreide für die Bierherstellung. Bis ins späte 15. Jahrhundert wurde in Bayern untergärig gebraut und es "gelangte erst um 1480 die Technik der obergärigen Bierherstellung aus Böhmen nach Bayern"3. Dank günstiger klimatischer Bedingungen wird in Böhmen bevorzugt Weizen als Getreide angebaut. "Weizenanbau ist in der Tschechischen Republik ein wichtiges Agrarprodukt"
Das mit Weizen gebraute Bier (obergärig) hatte für den Brauer den Vorteil, dass es auch in den Sommermonaten - wo der Absatz an Bier besonders hoch war - hergestellt werden konnte. Das Weizen war aber zur Brotherstellung und damit zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung wichtig. Die Beschränkung des Reinheitsgebotes auf die Verwendung von Gerste fußte also "nicht aus Zweifeln an der 'Reinheit' des Weizens, sondern zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit dem wertvollen Brotgetreide Weizen und letztlich aus handfestem ökonomischem Eigeninteresse."3 Allerdings verlieh Herzog Wilhelm IV. den Freiherren von Degenberg (ein Adelsgeschlecht im Bayrischen Wald) das Privileg Weizen-Bier zu brauen. Jedoch schien das Reinheitsgebot bzw. das Brauen mit Weizen nicht überall im damaligen Bayern befolgt worden zu sein. So verbot Herzog Albrecht V., Sohn Wilhelms IV. 1567 das Brauen von "Weißem Bier", sprich Weizenbier, in ganz Bayern. Denn das Brauen von Weizen sei „betrügerisches Brauen“ und das Getränk zudem ein "unnützes Getränk [...], das weder führe noch nähre, noch Kraft und Macht gäbe, sondern nur zum Trinken anreize3. Wenigstens an dieser Stelle - der Bewertung des Weizen-Bieres - ist ein Ansatz zur Begründung des Wohls um die Gesundheit der Bevölkerung erkennbar.
Die bayrischen Wittelsbacher, als herrschendes Adelsgeschlecht, erkannten aber bald, dass sich aus der Beliebtheit des Weißbieres und der brautechnischen Vorteile eine willkommene Einnahmequelle für das Fürstenhaus erschloß. Sie entzogen den beiden Geschlechtern der „Degenberger“ und „Schwarzenbergern“, denen sie das alleinige Weizenbrauprivileg 1548 und 1586 verliehen hatten, dieses Sonderrecht. „Um konkurrenzlos Weizenbier brauen zu können, sorgte [...] [Herzog Maximilian I.] dafür, dass das [bayernweite] Verbot von 1567 [...] nicht aufgehoben wurde."3. Überall im Land entstanden kurfürstliche Brauhäuser, in denen Weizenbier - natürlich gegen eine entsprechende Abgabe - gebraut wurde. Das Weißbier-Monopol war somit eine sichere Einnahmequelle für die bayrischen Herzöge.
Der Rohstoff "Hopfen"
Die ausschließliche Verwendung des Hopfens (nach dem Reinheitsgebot) ist mit der Begründung der Gesundheit der Bevölkerung schlüssiger, als das 'Gerstengebot'. Seit frühester Zeit (vgl. Frühe Völker) wurde versucht den schal schmeckenden Getreidebrei mit Kräutern, Pflanzen oder Früchten zu würzen. Aber diese Zutaten verursachten unerwünschte Nebenwirkungen: "Sumpfporst enthält ein ätherisches Öl [...], das berauschend und die Alkoholwirkung verstärkend wirkt. [...] Schwarzes Bilsenkraut, Tollkirsche und Taumel-Lolch [die oft] beigefügt [wurden, besitzen] [...] halluzinogene Eigenschaften [...]. Der Ethnopharmakologe Christian Rätsch sieht im Reinheitsgebot daher ein frühes Drogengesetz."4 Hopfen war dagegen vor seinem Einsatz bei der Bierherstellung als Heilpflanze in Anwendung. Zudem wurde Hopfen in den norddeutschen Bieren, vor allem der Hansebrauereien, wegen der Verbesserung des Geschmacks verwendet und machte auch das Bier deutlich länger haltbar.
Das Hopfengebot wurde Wilhelm IV. erleichtert, da Hopfen im Streuanbau Altbayerns verbreitet war. "Besondere Bedeutung bei der Entwicklung des Wissens um das Bierbrauen mit Hopfen dürfte in Bayern den Klöstern zuzuschreiben sein[, denn] [...] [m]it der fortschreitenden Entwicklung des klösterlichen und städtischen Brauwesens entwickelte sich im Hochmittelalter auch die Hopfenkultur."5 (vgl. Hildegard von Bingen und Bier im Mittelalter). Wo die Anbaubedingungen des Hopfenbaus für den eigenen Braubetrieb nicht vorhanden waren, konnte man den Hopfen über die bestehenden Verkehrsverbindungen 'importieren'. Bereits "seit dem 10. Jahrhundert wurde der Hopfen aus Böhmen nach Bayern und über die Elbe in die Hansestädte exportiert. Die Nachfrage stieg an, nachdem die ersten Kloster- und Stadtbrauereien in Mitteleuropa gegründet wurden."6. So ergab es sich, dass sich der Hopfen gemäß dem Reinheitsgebot schnell als geeignete Brauzutat für Haltbarkeit und Geschmack durchsetzte.
Exkurs - Die Geschichte des "Bock-Bieres" oder auch das "Einbecker Bier" in München und Landshut
All zu großes Vertrauen in die Arbeit der bayrischen Brauer schien der Hof der bayrischen Regierung nicht gehabt zu haben: da die "norddeutschen Brauer nach strengen Zunftregeln arbeiteten, hatte ihr Bier eine gute Qualität und einen guten Ruf. Um den Anschluss nicht vollends zu verpassen, sah der bayerische Herzog Wilhelm IV. nur noch eine Möglichkeit: [...] das Reinheitsgebot"7.
In der Geschichte der Einbecker Brauereien ist folgende Historie zu finden: "Ein Einbecker Braumeister wird nach München abgeworben, um dort das 'Ainpöckische Bier' zu brauen. Durch Verballhornung des Namens von 'Einpöckisch' über 'Oanpock' entsteht schnell der Name des berühmten Bockbieres."8. Ergänzend zur Qualität des damaligen bayrischen Bieres findet man in der Historie des Münchner Hofbräuhauses: "Gegründet wurde das Hofbräuhaus am 27.September 1589 vom bayerischen Herzog Wilhelm V. [...] [d]ank des Reinheitsgebots wurde hier von Anfang an Bier von hoher Qualität gebraut."9
Das Siegel für Hopfen aus dem Spalter-Anbaugebiet
Wenn man die Bezeichnung „Anbaugebiet“ so definiert, dass auf der landwirtschaftlichen Fläche die Produktion einer Feldfrucht vorherrscht, so gab es im ausgehenden Mittelalter / frühe Neuzeit im mitteleuropäischen Raum nur drei überregional schon bedeutende Hopfenanbaugebiete: Böhmen um die Stadt Saaz (Zatec) - heute Tschechien -, Hersbruck und Spalt nahe Nürnberg. Allerdings war Hopfenanbau als Streukultur über das oben beschriebene Gebiet verbreitet, auch im heutigen Mittel- und Norddeutschland.
Der Spalter - wie auch der böhmische - Hopfen gelten als ‚feinste‘ Aromahopfen. Sie waren schon zu Beginn des Hopfenhandels ein begehrtes Gut. Aufkäufer aus Schwabach (nahe Nürnberg) „die in den Gärten um große Summen viel Hopfen kauften“10.
Die Nachfrage nach Spalter Hopfen war größer als das Gebiet liefern konnte. So gab es immer wieder Hopfenhändler, die Hopfen aus anderen Gebieten als „Spalter“ verkauften. So berichtet ein Besucher Neutomischels in Posen (heute Poznan, Polen): „man habe ihm dort gesagt, daß [!] böhmische und bayrische Händler mit besonders gekennzeichneten, mit Plomben versehene Säcke kämen, dort den erkauften Hopfen packen und als bayrischen oder böhmischen Hopfen in den Handel brächten“11.
“Zur Sicherung der Erzeugnisse, verlieh der Fürstbischof von Eichstätt […] im Jahr 1588 der Stadt Spalt ein eigenes Hopfensiegel“12. Die Siegelung bot allerdings nur einen bedingten Herkunftsschutz: „daß [!] manche Händler die Siegel nachmachten, sei bekannt“13. Erst das „Gesetz über die Herkunftsbezeichnung des Hopfens“ vom 09.12.1929 gewährte eine Sicherheit über die Herkunft des Hopfen mit „Kennzeichen auf der Umhüllung […] Siegelung und Plobierung sowie der Ausstellung einer Begleiturkunde“14. Die Hopfenwirtschaft bezeichnet das HHG (Hopfen-Herkunfts-Gesetz) als ‚Grundgesetz‘ der Hopfenwirtschaft.
Es dauerte lange, bis andere Anbaugebiete der Spalter Siegelung folgten. In der sich später zum weltgrößten Gebiet entwickelten Hallertau waren dies 1834 Wolnzach, 1845 Au und 1847 Mainburg. Die anderen Siegelbezirke folgten in den weiteren Jahren. Es sind heute in der Hallertau - eingeschlossen das Hersbrucker Gebiet - 15 Siegelbezirke.15
Zeitalter der „Entdeckungen“ - ab dem späten 15. Jahrhundert
Begriff „Entdeckungen“
Der für die Erkundungen und Eroberungen des 15. bis 18. Jhd. gebrauchte Begriff „Entdeckungen“ verleitet zu der Annahme, dass etwas ‚Neues‘, ‚Unbekanntes‘ gefunden wurde, da eine Entdeckung „im Allgemeinen das Finden von etwas Unbekanntem [bezeichnet], was schon vorher existiert hat, und bildet damit den Gegenbegriff zur Erfindung, bei welcher etwas Neues geschaffen wird.“16 Die Bedeutung ist jedoch Kontext-abhängig, so beschreiben Entdeckungen „[i]m geographischen Sinn […] den ersten Kontakt mit einem den Entdeckenden zuvor unbekannten Teil der Welt“16. Für die uns anschließende Betrachtung der Entdeckungen der Neuzeit (15. bis 18. Jhd.) muss dahingehend eher der „herrschaftliche[ ] und koloniale[ ] Kontext, der mit der Entdeckung durch Europäer begründet wurde.“16 angenommen werden.
Seefahrer und Entdecker
Bei der Abhandlung des Themenbereichs „Bierhistorie und Hopfenkultivierung“ spielen die zeitlichen und geographischen Ablufer der Eroberungen eine zu erklärende Rolle. Deshalb werden die Entdeckungen im folgenden Kapitel „Zeitliche Zuordnung der Entdeckungen“ zusammengefasst. Sowohl die Seefahrer mit ihren eingerichteten Versorgungsstationen auf dem Seeweg, wie auch die niedergelassenen Händler (bspw. „Britische-Ostindien-Kompanie“)17 und die Siedler wollten auf gewohntes Getränk ‚Bier‘ nicht verzichten. Der Transport aus der ‚Heimat‘ war allerdings zu teuer. Schließlich transportierte man ja Wasser ‚über Wasser‘ und auch der Lagerraum war auf den Schiffen knapp, angesichts der Vielzahl an Seeleuten und Soldaten. Zudem stand die Haltbarkeit des Bieres einer Lagerung entgegen. Eine dauerhaft praktikable Lösung war das Brauen eines besonders zucker- und alkoholhaltigen-Bieres nicht, obwohl die „Braunschweiger Mumme“, „ohne irgend welche Änderung oder Verderbnis zu erleiden, ohne sauer noch kahmig zu werden, passieren und ohne Gefährde nach beiden Indien verschifft werden [konnte].“18. Der Bierdurst führt also dazu, dass man am Ort der Ansiedelungen Bier brauten: Wasser, Getreide und Hefe waren ja zum Brotbacken vorhanden. „Our Netherländers can brew as food beer here (New Amsterdam - heute New York) as in our fatherhand“19.
Problematisch war der Einsatz von Hopfen, wenn man auf die Zugaben von Kräutern oder anderes verzichten wollte. So bezog man den Hopfen vom ‚Mutterland‘ bzw. über die Handels-Kompanien: „hops were shipped regularly from their mothercountry“19. Wo es die Standortbedingungen zuließen, kultivierte man aber auch bald eigenen Hopfen. Dies galt insbesondere für die „Neuengland-Staaten“. „1648 sollten erste englische Hopfenfechser mit der sog. ‚Endirot-Expedition‘ zur Massachusetts-Bay gelangt sein“20. Eine detaillierte Darstellung zur Hopfenkultivierung weltweit ist im Kapitel Welthopfenanbau nachzulesen.
Kriege, Entdeckungen und Eroberungen
1618 - 1648 n. Chr. | Konflikte ...
... in Deutschland, aber auch in anderen Gebieten Europas
1568 - 1648 n. Chr. | "Achtzigjähriger Krieg"
Die sieben Vereinigten Provinzen (heutige Niederlande) erkämpften ihre Unabhängigkeit von den spanischen Habsburgern. Sie sollten im zeitlichen Verlauf - insbesondere der Kolonialisierung Südost-Asiens eine bedeutende Rolle spielen.
1701 - 1714 n. Chr. | Spanischer Erbfolgekrieg
Konfliktparteien die Geschlechter Habsburg und Bourbon (letztere französisch). Keine größeren Einflüsse auf diese Abhandlung, allerdings erhielten die Briten das strategisch wichtige "Akadien" an der Einfahrt in den St. Lorenz Strom (heutiges Kanada).
1689 - 1697 n. Chr. | Pfälzischer Erbfolgekrieg
Dieser wirkte sich vor allem als 'Kaperkrieg' zwischen Frankreich und der "Großen Allianz" (England, Niederlande, Spanien, Heiliges Römisches Reich Dt. Nation) aus.
1756 - 1763 n. Chr. | Siebenjähriger Krieg
von Historikern wird dieser Krieg auch als 'erster Weltkrieg' bezeichnet. Es kämpften nur nicht alle europäischen Großmächte, sondern die Kriegsgeschehnisse bezogen auch die Kolonien in Nordamerika, Indien und Afrika mit ein. Wesentliche 'Teilnehmer' waren: England, Preußen gegen Habsburg mit dem Heiligen Römischen Reich, Frankreich, Russland und Spanien.
Für Frankreich bedeutete das Ende des Krieges, festgeschrieben im Pariser Friedensabkommen von 1763, den Verlust der nahezu gesamten nordamerikanischen Kolonien.