Bevor wir uns mit den geopolitischen Ereignissen dieses Zeitraums befassen, müssen zwei marktpolitische Verordnungen behandelt werden. sie beeinflussen maßgeblich unseren Themenbereich der Bier- und Hopfenhistorie.
Das Bayrische Reinheitsgebot
"Ganz besonders wollen wir, daß forthin allenthalben in unseren Städten und Märkten und auf dem Lande zu keinem Bier mehr Stücke als allein Gersten, Hopfen und Wasser verwendet und gebraucht werden sollen.”1https://www.bayerisches-bier.de/bier-wissen/reinheitsgebot-geschichte-und-bedeutung/
Diese Verordnung wurde 1516 vom Bayrischen Herzog Wilhelm dem IV. erlassen. Doch warum kümmerte dieser sich um die Inhaltsstoffe des Bieres? Das Wohl und die Sorge um die Gesundheit der Bürger soll - offiziell - die Begründung gewesen sein. Doch gab es schon früher regionale Vorschriften und Erlässe zur 'Qualitätssicherung' und zu den vorgegebenen Rohstoffen - vor allem in den Städten mit ihrem aufstrebenden Braugewerbe.
So sollte eine im Jahr 1303 in Nürnberg erlassene Verordnung sicherstellen, dass nur Gerstenmalz zum Brauen verwendet werden durfte. Und schon im Jahr 1156 erließ Kaiser Friedrich I. (gen. Barbarossa) für die Stadt Augsburg das Stadtrecht. In dessen Rechtsverordnung sich der Paragraph "Justitia Civitatis Augustensit" befand; hier wurde erstmals die Bierqualität des Augsburger Bieres festgelegt. Das Augsburger Reinheitsgebot könnte somit das erste Gebot der deutschen Biergeschichte sein2vgl. https://www.augsburger-land.de/augsburger-land/regionale-produkte/brauereien.
Der Rohstoff "Gerste"
Gerste war schon bei den frühen Völkern und auch im Mittelalter ein bevorzugtes Getreide für die Bierherstellung. Bis ins späte 15. Jahrhundert wurde in Bayern untergärig gebraut und es "gelangte erst um 1480 die Technik der obergärigen Bierherstellung aus Böhmen nach Bayern"3https://www.bayerisches-bier.de/bier-wissen/geschichte-des-weissbieres/.
Dass mit Weizen gebraute Bier (obergärig) hatte für den Brauer den Vorteil, dass es auch in den Sommermonaten - wo der Absatz an Bier besonders hoch war - hergestellt werden konnte. Das Weizen war aber zur Brotherstellung und damit zur Sicherstellung der Ernährung der Bevölkerung wichtig. Die Beschränkung des Reinheitsgebotes auf die Verwendung von Gerste fußte also "nicht aus Zweifeln an der 'Reinheit' des Weizens, sondern zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung mit dem wertvollen Brotgetreide Weizen und letztlich aus handfestem ökonomischem Eigeninteresse."4https://www.bayerisches-bier.de/bier-wissen/geschichte-des-weissbieres/ Allerdings verlieh Herzog Wilhelm IV. dem Freiherren von Degenberg (ein Adelsgeschlecht im Bayrischen Wald) das Privileg Weizen-Bier zu brauen. Jedoch schien das Reinheitsgebot bzw. das Brauen mit Weizen nicht überall im damaligen Bayern befolgt worden zu sein. So bezeichnete Herzog Albrecht V. den Enkel Wilhelms IV. 1567 das Brauen von "Weißem Bier" ein "unnützes Getränk [...], das weder führe noch nähre, noch Kraft und Macht gäbe, sondern nur zum Trinken anreize”5https://www.bayerisches-bier.de/bier-wissen/geschichte-des-weissbieres/. Wenigstens an dieser Stelle - der Bewertung des Weizen-Bieres - ist ein Ansatz zur Begründung des Wohls um die Gesundheit der Bevölkerung erkennbar.
Die bayrischen Wittelsbacher, als herrschendes Adelsgeschlecht, erkannten aber bald, dass sich aus der Beliebtheit des Weißbieres und der brautechnischen Vorteile eine willkommene Einnahmequelle für das Fürstenhaus erschloß. So "zog [...] Herzog Maximilian I. das Privileg [der Degenberger] wieder an sich. [...] Um konkurrenzlos brauen zu können, Um konkurrenzlos Weizenbier brauen zu können, sorgte [...] [er] dafür, dass das Verbot von 1567 [...] nicht aufgehoben wurde."6https://www.bayerisches-bier.de/bier-wissen/geschichte-des-weissbieres/. Das Weißbier-Monopol war somit eine sichere Einnahmequelle für die bayrischen Herzöge.
Der Rohstoff "Hopfen"
Die ausschließliche Verwendung des Hopfens (nach dem Reinheitsgebot) ist mit der Begründung der Gesundheit der Bevölkerung schlüssiger, als das 'Gerstengebot'. Seit frühester Zeit (vgl. Frühe Völker) wurde versucht den schal schmeckenden Getreidebrei mit Kräutern, Pflanzen oder Früchten zu würzen. Aber diese Zutaten verursachten unerwünschte Nebenwirkungen: "Sumpfporst enthält ein ätherisches Öl [...], das berauschend und die Alkoholwirkung verstärkend wirkt. [...] Schwarzes Bilsenkraut, Tollkirsche und Taumel-Lolch [die oft] beigefügt [wurden, besitzen] [...] halluzinogene Eigenschaften [...]. Der Ethnopharmakologe Christian Rätsch sieht im Reinheitsgebot daher ein frühes Drogengesetz."7Stichwort Bier in Christian Rätsch: Enzyklopädie der psychoaktiven Pflanzen: Botanik, Ethnopharmakologie und Anwendung. AT-Verlag, Aarau 1998, S. 733 f. Hopfen war dagegen vor seinem Einsatz bei der Bierherstellung als Heilpflanze in Anwendung. Zudem wurde Hopfen in den norddeutschen Bieren, vor allem der Hansebrauereien, wegen der Verbesserung des Geschmacks verwendet und machte auch das Bier deutlich länger haltbar.
Das Hopfengebot wurde Wilhelm IV. erleichtert, da Hopfen im Streuanbau Altbayerns verbreitet war. "Besondere Bedeutung bei der Entwicklung des Wissens um das Bierbrauen mit Hopfen dürfte in Bayern den Klöstern zuzuschreiben sein[, denn] [...] [m]it der fortschreitenden Entwicklung des klösterlichen und städtischen Brauwesens entwickelte sich im Hochmittelalter auch die Hopfenkultur."8https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hopfenanbau (vgl. Hildegard von Bingen und Bier im Mittelalter). Wo die Anbaubedingungen des Hopfenbaus für den eigenen Braubetrieb nicht vorhanden waren, konnte man den Hopfen über die bestehenden Verkehrsbedingungen 'importieren'. Bereits "seit dem 10. Jahrhundert wurde der Hopfen aus Böhmen nach Bayern und über die Elbe in die Hansestädte exportiert. Die Nachfrage stieg an, nachdem die ersten Kloster- und Stadtbrauereien in Mitteleuropa gegründet wurden."9https://deutsch.radio.cz/hopfenmuseum-saaz-1000-jahre-geschichte-des-hopfens-8687369. So ergab es sich, dass sich der Hopfen gemäß dem Reinheitsgebot schnell als geeignete Brauzutat für Haltbarkeit und Geschmack durchsetzte.
Die Geschichte des "Bock-Bieres" oder auch das "Einbecker Bier" in München und Landshut
All zu großes Vertrauen in die Arbeit der bayrischen Brauer schien der Hof der bayrischen Regierung nicht gehabt zu haben: da die "norddeutschen Brauer nach strengen Zunftregeln arbeiteten, hatte ihr Bier eine gute Qualität und einen guten Ruf. Um den Anschluss nicht vollends zu verpassen, sah der bayerische Herzog Wilhelm IV. nur noch eine Möglichkeit: [...] das Reinheitsgebot"10https://www.planet-wissen.de/gesellschaft/trinken/bier/pwiedasreinheitsgebot100.html.
In der Geschichte der Einbecker Brauereien ist folgende Historie zu finden: "Ein Einbecker Braumeister wird nach München abgeworben, um dort das 'Ainpöckische Bier' zu brauen. Durch Verballhornung des Namens von 'Einpöckisch' über 'Oanpock' entsteht schnell der Name des berühmten Bockbieres."11https://www.einbecker.de/historie.html. Ergänzend zur Qualität des damaligen bayrischen Bieres findet man in der Historie des Münchner Hofbräuhauses: "Gegründet wurde das Hofbräuhaus am 27.September 1589 vom bayerischen Herzog Wilhelm V. [...] [d]ank des Reinheitsgebots wurde hier von Anfang an Bier von hoher Qualität gebraut."12https://www.hofbraeuhaus.de/geschichte/